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Fröndenberg / Unna: NABU-Aktion „Stunde der Gartenvögel“, neue „Rote Liste“ und Reviersuche bei Wespenbussarden, Trauerschnäppern, Grauschnäppern, Baumpiepern, Flussregenpfeifern u.a., 30.05.2024 (B.Glüer)

„Alle Vögel sind schon da …“ (???) Der Titel des Volkslied-Klassikers, der einst schwärmerisch den vogelkundlichen Zauber des Frühlings besang, stellt sich in der heutigen Vogelbeobachtung inzwischen längst eher als bange Frage!

Zwei „Großereignisse“, die unsere schwindende Artenvielfalt thematisieren, haben jüngst immerhin auch die Medienlandschaft beschäftigt. So hat der NABU ein weiteres Mal mit der viel beachteten Aktion „Stunde der Gartenvögel“ unsere Vogelwelt durch 58 000 teilnehmende Beobachter erfasst (die Ergebnisse liegen jetzt vor). Und zum zweiten wurde für NRW durch Oliver Krischer (Umweltministerium) eine aktualisierte Rote Liste, die gern als „Fieberthermometer des Patienten Natur“ bezeichnet wird, vorgestellt.

Auch wenn die „Stunde der Gartenvögel“ als sogenannte Citizen Science (=Bürgerforschung durch Laien) methodische Schwächen hat, so zeigen die Ergebnisse doch interessante Trends oder sogar Alarmzeichen, die aufhorchen lassen. In diesem Jahr etwa ist im Häufigkeits-Ranking wieder der Haussperling unter 1,2 Mio. gemeldeten Vögeln der „Sieger“ (jedoch mit einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr um -5 %). Auch Platz 2 und 3 (Amsel und Kohlmeise) halten ihre Position – jedoch mit je -7 % Einbuße. Andere Artzahlen sind noch alarmierender: die bekanntesten Finken (Buchfink, Stieglitz, Gimpel, Grünfink) zeigen durchweg zweistellige Prozentzahlen im Rückgang. Kernbeißer sogar –55 % (!). Die Goldammer –38 %, Sumpfmeise –40 %, Rauchschwalbe –26 %, Mehlschwalbe –20 % … – Unter wenigen „Gewinnern“ legen der Zilpzalp mit 14 % zu und der Zaunkönig mit 8 %.

Kein Wunder, dass die neue „Rote Liste“ von 43 000 gelisteten Tier- und Pflanzenarten fast die Hälfte als gefährdet einstuft. Die erfreuliche mediale Aufmerksamkeit (etwa in einem Fernseh-Nachrichten-Beitrag, den ich gesehen habe) löste trotzdem hier und da auch Kopfschütteln aus: da wurde zum Beispiel der dramatische Einbruch der Feldsperlinge ausführlich kommuniziert und im Bild mit einem Foto illustriert, das jedoch eine Feld l e r c h e (!) zeigte. Ich befürchte, dass dieser Nachrichtenbeitrag (vielleicht nur schlecht recherchiert?) im Hintergrund neben dem beschriebenen Artenschwund ein weiteres, noch gravierenderes Problem beinhaltete: Dass nämlich die Artenvielfalt, die ins Bewusstsein gerückt werden sollte, schon derart in Vergessenheit geraten ist, dass etwa der Unterschied zwischen Feldsperling und Feldlerche schon gar nicht mehr als Unterschied wahrgenommen wird. Die rückläufigen Arten sterben also nicht nur draußen in der Natur, sondern schon längst auch in den Köpfen.

Im südlichen Kr. UN scheint sich derweil unter anderem auch der Trauerschnäpper als heimischer Brutvogel zu verabschieden. Eine intensive Suche in zwei seiner letzten Kleinstvorkommen (Hemmerder Schelk und NSG „Bahnwald“/Howi) blieb bislang erfolglos. Auch andere dieser Tage intensiv gesuchte Arten haben bedenklich niedrige Bestände bzw. sind lokal verschwunden – wie etwa Baumpieper mit 3 Revieren im Bausenhagener Schelk und nur einem im Hemmerder Schelk. Grauschnäpper konnten im Bausenhagener Schelk mit 4 Revieren gefunden werden.

Die Liste der vom NABU ermittelten „Gartenvögel“ führt auch in diesem Jahr der Haussperling als häufigster Vogel an – jedoch mit einem weiteren Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 5 %. Im Bild ein Männchen an einem Gehöft nahe dem Hemmerder Ostfeld (Werl-Holtum), 29.05.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
Deutlich im Aufwind ist weiterhin der Weißstorch. – Auch für unsere Verhältnisse zusätzlich „rekordverdächtig“ – dieser Brutplatz am Hofe Louven (Bönen-Lenningsen) mit erstaunlichen 5 Jungvögeln, 27.05.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
Bei vielen weniger auffälligen Kleinvögeln, wie etwa den Goldammern, vollzieht sich ein wenig bemerkter Schwund. Die NABU-Zahlen ermitteln innerhalb eines Jahres einen Rückgang um 38 %. Hier ein Futter tragendes Weibchen im Bausenhagener Schelk …, 23.05.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… mit annähernd gleichbleibenden Beständen (-2 %) ist die Mönchsgrasmücke gelistet. Hier ein Futter tragendes Weibchen im Bausenhagener Schelk, 23.05.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… immer schwieriger sind inzwischen die einst häufigen Grauschnäpper zu finden. Lichte Fichten-Kalamitätsflächen, die windgeschützt viele Sitzwarten und hinter loser Rinde zahlreiche Nistmöglichkeiten bieten, werden offenbar (noch) gern besiedelt (Bausenhagener Schelk), 29.05.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… ebenfalls nahe Frdbg.-Bausenhagen zeigten sich diese drei Wespenbussarde. In der Foto-Betrachtung ist selbst ein unscharfes Bild zur Individualerkennung unter Umständen interessant. Auf dem mittleren Bild ist ein Weibchen zu sehen, das gleichzeitig mit dem zwischen Baumkronen nur unscharf erwischten Männchen (links) überhinflog. Das sehr helle Männchen (rechts) tauchte an selbser Stelle 4 Tage später auf. Heute (30.05.) auch ein balzendes Wespenbussardmännchen (Schmetterlingsflug) nahe dem Bahnwald (Howi), 27.05.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
Rohrweihen (hier ein Männchen über den Hemmerder Wiesen) halten sich in geringer Zahl durch sehr aufwendige Schutzmaßnahmen der Brutplätze weiterhin im Kr. UN, 28.05.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
Auf sehr niedrigem Niveau halten sich im Kr. UN Flussregenpfeifer – meist in Sekundärbiotopen, wie hier in einem Filterbecken des Wassergewinnungsgeländes bei Frdbg.-Langschede. Häufig gehen Gelege durch steigende Wasserstände verloren. Eines von ebendort 3 Paaren hat gerade Nachwuchs (außerhalb des Bildes noch 3 weitere Jungvögel), 27.05.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
Ständiger „Sorgenfall“ – die intensiv genutzte Feldflur mit oft fragwürdigen Pflegemaßnahmen. Hier werden in der Hauptbrutzeit Wegsäume (Hemmerder Ostfeld) auf Streichholzlänge heruntergemäht. Das eingefügte Bild links zeigt am gemähten Saum „Am Dörgänger“ ein männliches Schwarzkehlchen und ein männliches Rebhuhn, Bild Mitte: Raupennest des Tagpfauenauges auf Brennesselsaum, Bild rechts: Schafstelzenpaar auf gerade abgemähtem Saum „Am Dörgänger“, hinter dem Mähfahrzeug (Pfeil) sammelt bereits eine Rabenkrähe das gemetzelte Kleingetier, vor dem Mähfahrzeug (Pfeil) fängt eine Rauchschwalbe herausgescheuchte Insekten, alle Bilder entstanden am 29.05.2024 (Foto: Bernhard Glüer)